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DAS SCHWEIGEN (1963)

TYSTNADEN

«So werden die Künstler zu Totengräbern der Gesellschaft.»

Weihbischof Walther Kampe über DAS SCHWEIGEN

Schweden 1963
Schwarzweiß
Buch und Regie: Ingmar Bergman
Kamera: Sven Nykvist
Darsteller: Ingrid Thulin (Ester), Gunnel Lindblom (Anna), Jörgen Lindström (Johan), Hakan Jahnberg (der junge Kellner), Birger Malmsten (Barkellner)
Länge: 95 Min.

Reaktionen

«Wenn Millionen einem Kunstwerk zuströmen, das, vermindert um drei Szenen, vielleicht nur einige Hunderttausende angelockt hätte, dann enthalten diese Szenen etwas, das Millionen berückt. Ist es, ohne dem oft zitierten Säugetier zu nahte treten zu wollen, ganz einfach das ‹Schweinische›? Sind alle jene, die sonst nicht in diesen Film gegangen wären, nun nichts anderes als ‹Ferkel› oder zumindest ‹Ferkelchen›?»
Georg Ramseger, Die Welt, 23. November 1963

«Die Vorführung eines solchen Films und den Ansturm auf diesen Film kann ich nur als ein Anzeichen eines sittlichen Niedergangs ansehen, der weite Teile unseres Volkes ergriffen hat. Unser Volk wird durch den Film in neuem und erschreckendem Ausmaß demoralisiert.»
Der evangelischer Landesbischof von Oldenburg Gerhard Jacobi im Dankesschreiben an den Landrat Hermann Krämer, der DAS SCHWEIGEN am 13. Mai 1964 in seinem Kreis verbieten ließ

«Mögen Ingmar Bergman und andere auf die Kontrastwirkung abzielen, um die Menschen auf ihren heillosen Zustand aufmerksam zu machen, so gehen sie doch fehl, da sie die Massenwirkung nicht bedacht haben. Die Masse wird nicht abgeschreckt, sondern fühlt sich bestätigt. So werden die Künstler, ohne es zu wollen, zu Totengräbern der Gesellschaft, die das Leichengift der Verwesung verbreiten, anstatt es durch Antitoxine unschädlich zu machen. Niemand von uns wünscht die Zensur, aber wenn kein soziales Verantwortungsbewusstsein den Künstler aus seiner individualistischen Selbstzerfleischung rettet, muss die Gesellschaft schließlich doch als letztes Mittel nach dem Staat als Zensor rufen.»
Der katholische Limburger Weihbischof Walther Kampe

«Wir deutschen Bischöfe wenden uns an alle Verantwortlichen in der Filmwirtschaft und ihren Organisationen wie auch in der Filmselbstkontrolle; wir wenden uns an die kompetenten Stellen im Bund und in den Ländern mit dem ernsten Aufruf nach eingehender Überprüfung unseres Filmwesens. Unser Volk ist nicht nur von außen bedroht. Was soll eine Freiheit, welche – um mit dem Apostel Paulus zu reden – zum ‹Deckmantel der Bosheit› missbraucht wird? Unsere Gesellschaft kann keinen Bestand haben ohne die Atmosphäre der Ehrfurcht, der Würde und der Sauberkeit.»
Die katholischen Bischöfe in einem an die SPIO, die FSK sowie die FBW gerichteten Protestschreiben vom 10. Juni 1964

«Öffentliche Warnung der Humanistischen Union vor der ‹Aktion Saubere Leinwand
Unter der Devise des Kampfes für eine ‹saubere Leinwand› ist in einer Reihe von Städten eine Aktion angelaufen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Aufführung von Filmen zu unterbinden, die bestimmte Bevölkerungsgruppen für unmoralisch und sittengefährdend halten.
Die Humanistische Union bestreitet keiner dieser Gruppen das Recht, ihre Überzeugungen zu verbreiten und das Urteil und Verhalten möglichst vieler Bürger in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Welt- und Menschenbildern ist das Lebenselement einer freiheitlichen Gesellschaft.
Es ist jedoch, wo nicht die erklärte Absicht, so die zwangsläufige Konsequenz der von der ‹Aktion Saubere Leinwand› erhobenen Forderungen, dass ihre Auffassung von Kunst und Moral nicht durch Argumente, sondern nur mit Hilfe des Staates durchgesetzt werden kann. Die inszenierte ‹Volksbewegung› soll Anlass und Material für einen von einer Gruppe von CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten unterstützten Antrag auf Änderung des Grundgesetzes liefern. Dieser Antrag sieht vor, die in Artikel 5 garantierte Freiheit von Kunst und Wissenschaft zukünftig an die ‹allgemeine sittliche Ordnung› zu binden. Eine solche Einschränkung würde nach dem Wunsch und Willen der Antragsteller Polizei und Staatsanwaltschaft instand setzen, alle künstlerischen und wissenschaftlichen Werke zu verbieten, die mit den zur Allgemeinverbindlichkeit erhobenen Kunst- und Moralvorstellungen der zuständigen Behörden nicht in Einklang zu bringen sind. Es wäre dies der Anfang vom Ende der Bemühungen, nach den Erfahrungen der Jahre 1933 bis 1945 wenigstens im westlichen Teil Deutschlands die Spielregeln eines freiheitlichen Kulturstaates heimisch zu machen.
Die Entscheidung über Bejahung oder Ablehnung einer wissenschaftlichen These oder eines künstlerischen Werkes, über das Anschauen oder Nichtanschauen eines Filmes, steht in einer demokratischen Gesellschaft keiner staatlichen Instanz und auch keiner Unterschriften-Kampagne, sondern allein dem einzelnen mündigen Staatsbürger zu. Für Schutz der Minderjährigen, der immer wieder als Argument für den Feldzug herhalten muss, ist gerade in der Bundesrepublik ausreichend gesorgt. Sie zeichnet sich durch eine besonders strenge Jugendschutzgesetzgebung aus und hat unter allen westlichen Ländern den höchsten Prozentsatz von Filmen, die für Jugendliche verboten sind. Die ‹Aktion Saubere Leinwand› ist der gefährliche Versuch, aus den geschmacklichen und moralischen Neigungen und Abneigungen eines Teiles der Bevölkerung Kapital für eine politische Aktion zu schlagen, die durch einen Eingriff in die Verfassung unser geistiges und kulturelles Leben einer Gesinnungs- und Geschmacksgleichschaltung unterwerfen will, wie sie in autoritär und totalitär regierten Ländern üblich ist. Die bisher vorliegenden Verlautbarungen der Aktion zeigen, dass wir es hier mit einer neuerlichen üblen Mobilisierung des sogenannten ‹gesunden Volksempfindens› gegen das zu tun haben, was die Diktaturen aller Schattierungen als ‹entartete Kunst› und ‹zersetzende Wissenschaft› diffamieren und verfolgen.
Die Humanistische Union hält ein Gespräch mit den Befürwortern der ‹Aktion Saubere Leinwand› nur für sinnvoll, soweit diese unmissverständlich erklären, dass sie bei der Diskussion um die zukünftige Entwicklung der Filmkunst und Filmindustrie nur ihre Überzeugung zur Geltung bringen, nicht aber andere Überzeugungen mit Hilfe von Polizei und Staatsanwaltschaft ausschalten wollen. Solange dieser durch viele Dokumente belegte Verdacht nicht ausgeräumt ist, rufen wir alle politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen und Verbände und jeden einzelnen Staatsbürger auf, sich dieser Warnung anzuschließen.»
Humanistische Union, gezeichnet: Prof. Otto Dix, Prof. Dr. Ossip K. Flechtheim, Prof. Dr. Dietrich Goldschmidt, Prof. Dr. D. D. Helmut Gollwitzer, Martin Held, Prof. Dr. Walter Jens, Dr. Erich Kästner, Helmut Käutner, Peter Lühr, Prof. Dr. Alexander Mitscherlich, Erwin Piscator, Prof. Dr. Ulrich Sonnemann, Dr. Gerhard Szczesny, Oberlandesgerichtspräsident Dr. Richard Schmid, Intendant Hans Schweikart, Bernhard Wicki. München, am 11. Juni 1965

Trailer kurz / lang (Quelle: YouTube)

Screenshots: aus DVD, erschienen bei Arthaus